Die katalanische Traditionen zur Weihnachtszeit gefallen mir sehr gut und von einer war ich von Anfang an begeistert. Sie wird in vielen Ortschaften Kataloniens aufgeführt. Die lebendige Krippe "el Pessebre vivent". Hier wird, meist an den Wochenenden und zu einer festgelegten Uhrzeit, von den Einwohnern der Stadt alljährlich die Weihnachtsgeschichte gespielt.
Die Krönung dieser "lebendigen" Krippenspiele - "Pessebres vivents" habe ich 1982 zum ersten Mal gesehen. Ca. 35 km von meinem Zuhause Lloret de Mar liegt, mitten in der Provinz Girona, der kleine Ort Brunyola. Dort sollte es ein besonders schönes Krippenspiel geben, so hatte man mir jedenfalls erzählt.
Meine Frau (damalige Freundin) wollte mich überraschen und mir etwas Besonderes zeigen. Wir sind dann, an einem eiskalten Dezemberabend und dick eingehüllt in unseren Winterklamotten, zu diesem kleine Ort gefahren. Bei der Ankunft hatte ich mich schon gewundert, weil unwahrscheinlich viele Autos dort schon weit vor dem Ortseingang parkten. Nach langem Suchen fand ich endlich einen Platz für mein Auto und wir gingen anschließend bis zum Marktplatz.
Der liegt direkt vor dem Rathaus von Brunyola. Dort erschien nach einiger Zeit ein Mann, der gekleidet wie ein römischer Soldat, die anwesenden begrüßte. Das geschah natürlich in català und ich habe kein Wort verstanden. Okay, dachte ich noch, verstehen mussich hier nichts denn ich wollte mir sowieso nur alles ansehen. Dann fiel plötzlich das Licht aus… so dachte ich zumindest…
Plötzlich strahlte ein Scheinwerfer den oberen Teil des Turmes vom Rathaus an und es schwebte plötzlich ein Engel herab. Erst dachte ich, dass es sich um eine Puppe handelt aber dann erkannte ich eine junge Frau die an einem fast nicht sichtbaren Seil herabschwebte und uns anschließend den Weg zeigte, den wir gehen sollten. Ich war der Meinung, dass wir nun auf dem Weg zur Krippe waren…
Mit der Menge geht man automatisch dorthin, wo die anderen auch hingehen und man bleibt dann stehen wenn die anderen auch stehen bleiben. Vor einem Nebenhaus des Rathauses hatte man eine Art Schreibtisch aufgebaut, hinter dem ein, wie ein alter Römer gekleideter, Mann saß. Mehrere Menschen standen in einer Schlage an und jeder sagte dem Römer etwas. Ich habe meine Frau gefragt, was das denn für eine Bedeutung habe. Sie sagte nur, dass sich die Leute dort registrieren würden. Registrieren? Ich habe es nicht begriffen aber es sah gut aus…
Wir gingen weiter und vor dem Eingang eines großen Gebäudes stand ein Mann im braunen Gewand mit einer Frau die dazu auch noch schwanger war. Die beiden hatten einen Esel bei sich und wurden von einem Uniformierten abgewiesen. So langsam dämmerte es mir und die Geschichte die man uns hier vorspielte habe ich als Kind immer wieder gerne gehört. Hier nun habe ich sie, sehr gut vorgetragen, in "echt" erleben dürfen.
Hier war alles so bereit gestellt wie es vor fast 2000 Jahren war. Die Menschen waren so gekleidet wie damals und spielten uns das Uberlieferte in einer Art vor, die mich echt begeistert hat. Den Gipfel meiner Begeisterung erlebte ich bei der nächsten Station. Wir gingen in Richtung des großen und hell erleuchteten Sterns. Der hing über einem Stall in dem eine Kuh stand. Einen Teil von diesem Stall war bleuchtet. Auch hier stand der Esel und die Darsteller des Josef (stehend) und der Maria (sitzend) und in ihrer Mitte war die Krippe zu sehen…
Ich habe in meinem Leben schon viele Weihnachtskrippen gesehen aber keine die mich so ergriffen hat, wie diese hier. Die erste große Krippe die in sah, stand im Aachener Dom. Eine wunderschöne und über die Schaufenster der gesamten unteren Etage des Kaufhauses El Corte Ingles in Barcelona, verteilte Krippe, habe ich bestaunt. Dabei habe ich das Jesuskind in allen Größen und den verschiedensten Materialien (in der Kirche meiner Heimatgemeinde war es aus Wachs) gesehen.
Eine so schöne und originelle (weil ohne Schnickschnack, einfach und glaubhaft dargestellte) Krippe, wie hier in Brunyola, hatte ich noch nie gesehen. Nun stand ich selbst hier, zwar nur als Zuschauer aber mitten in der lebendigen Kippe. Die eigentliche Krippe war leer, denn Maria trug das Christkind in ihren Armen… ich dachte mich trifft der Schlag, als ich dann auch noch sehen konnte das es sich bewegte… Hier waren wirklich alle Darsteller echt und jeder spielte seine Rolle vorzüglich. Das "Christkind", welches Maria in ihren Armen hielt, war ihr eigenes Baby…
Bei diesem Anblick nur von einer irrsinnigen Gänsehaut zu schreiben, die mich in diesem Moment überkam, wäre wirklich untertrieben. Wenn ich mit allem gerechnet hätte, damit auf keinen Fall. Okay, ich habe halt "nah am Wasser gebaut" aber in solchen Momenten, da bin ich auf einmal wieder Kind und solche Momente vergesse ich nicht. Es gibt einige Dinge, die ich in meinem Leben erlebt habe, die mir heute noch, wenn ich nur daran denke, feuchte Augen bereiten, dieses Erlebnis gehört auf jeden Fall dazu…
Hier war nun aber wirklich der gesamte Ort Brunyola eine einzige große Weihnachtsbühne denn im weiteren Verlauf des Rundgangs durch den ganzen Ort konnte ich sehen, wie es zur damaligen Zeit in den einzelnen Berufen zuging, ob nun beim Schreiner, Fassmacher, beim Schmied, beim Jäger, beim Bauern oder beim Steinmetz. Die Frauen wuschen auch bei diesen eisigen Temperaturen ihre Wäsche wie Anno dazumal im Fluss, sie weben, spinnen, färben die Tücher und arbeiten auf dem Markt.
Auf dem Marktplatz wurde gefeilscht. Das Angebot an Gemüse und Obst war riesig, Frauen saßen dort und gingen ihrer Arbeit, dem Herstellen von Körben oder Matratzen nach oder strickten, klöppelten und häkelten. Kinder halfen ihren Eltern auf dem Feld, in der Werkstatt oder auf dem Markt. Hier war einfach alles vertreten. Ob jung oder alt hier waren alle Bewohner auf irgendeine Art und Weise mit der damaligen Zeit verbunden. Sie waren gekleidet wie früher und zeigten uns, wie das Leben damals vor sich ging.
Die lebendige Krippe von Brunyola feierte 2011 ihr 30stes Jubiläum und von den 352 Einwohnern waren 286 aktiv bei der Krippenaufführung dabei. In diesem Jahr (2016) wird diese wunderschöne Tradition zu 35 Male stattfinden und ich freue mich schon, denn ich werde wieder einmal, wenn auch nur als Zuschauer, dabei sein.
Pessebre Vivent 2016 / 2017 in Brunyolas
Hier findest du den Lageplan und die Wegbeschreibung.
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Aufführungen am 18. 25. und 26. Dezember 2016 und 1. Januar 2017
Einlass ab 18:00 Uhr
Beginn der Aufführung mit dem Rundgang pünktlich um 19:00 Uhr
Wenn Du in der Nähe bist und Lust hast, dann sieh es Dir einmal an.
Promo 35è Pessebre Vivent de Brunyola, von "Els Amics de Brunyola" on Vimeo.
Ich bin sicher, Du wirst begeistert sein!
Die Aufführung ist auch in diesem Jahr wieder KOSTENLOS!
Freiwillige Spenden werden aber gerne entgegen genommen
© Das Copyright aller Fotos in diesem Beitrag liegt by www.pessebrebrunyola.cat
Die Katalanen sind sehr stolz auf ihre Traditionen! Mehr dazu unter:
Traditionen und Bräuche
42 Ortschaften haben sich zur Vereinigung der lebendigen Krippen Kataloniens zusammengeschlossen. Hier findest du alle Orte auf der Karte